06.12.2024 | Schweigen ist Gold
Wie wäre es, sich einmal bewusst zum Schweigen zu verabreden? Ohne Worte, einfach nur gemeinsam still sein. Die Annahme: Begegnung entsteht nicht nur durch Worte, sondern auch durch geteilte Momente der Stille. Um das zu testen hat das Cameo Kollektiv seit Projektbeginn im April 2024 in Hannover verschiedene Interventionen im öffentlichen Raum durchgeführt. Eine mehrsprachige Umfrage und Gespräche mit Akteur/innen der Stadtgesellschaft begleiten das Projekt. Das Ziel: herauszufinden, wie Schweigen als Methode genutzt werden kann, um Vertrauen und Gemeinschaft zu fördern.
Wie funktioniert ein Ort des gemeinsamen Schweigens in der Innenstadt? Als Spielfeld mit Regeln, Park mit Pflanzen oder als heiliger Ort? Aus den Antworten auf diese und weitere Fragen hat das Cameo Kollektiv dieses Jahr bereits Ideen für die Gestaltung eines öffentlichen Orts des Schweigens entwickelt und in der Hannoveraner Innenstadt getestet. Im nächsten Jahr soll aus diesen Ideen ein Ort entstehen, der partizipativ gestaltet ist: durch die Erfahrungen der ersten Schweigeformate und die Ergebnisse der begleitenden Online-Umfrage.
Ein Format ist das »After Work Schweigen«, welches jeden dritten Mittwoch im Monat dazu einlädt, gemeinsam am Kröpcke in Hannover zu schweigen. Ohne weitere Anleitung ertönt zur vereinbarten Uhrzeit ein Gong, der den Anfang und das Ende der 10-minütigen Schweigephase signalisiert. Manchmal kommen Menschen spontan dazu oder finden sich, aus ihrem Smartphone auftauchend, in der Mitte des stillen Kreises wieder. Wer bis zum Ende bleibt, berichtet nicht selten, dass die Erfahrung ein spontanes Gemeinschaftsgefühl entstehen lässt – und das unter Menschen, die sich zuvor nicht kannten.
In einem weiteren Experiment hat das Cameo Kollektiv im vergangenen September für die Kunstkommission der Landesvertretung Niedersachsen ein Gastmahl gestaltet. Der erste Gang wurde im Schweigen eingenommen, was bei den Gästen zunächst für Überraschung sorgte. Rückblickend berichteten dann aber viele, dass durch die Schweigephase oberflächliche Gesprächsmuster durchbrochen wurden und sich die Qualität der Gespräche deutlich erhöht habe. »Man hatte das Gefühl, wirklich zuzuhören und gleichzeitig gehört zu werden«, beschrieb eine Teilnehmerin die Erfahrung.
»Aus den vielen Rückmeldungen der Menschen wird deutlich, dass die Aktionen ungewohnt, aber bereichernd wirken«, schlussfolgert Cunitz. »Einige betonen auch, dass sie Orte des Schweigens als sicher empfinden, weil dort keine Erwartungen an sie gestellt werden. Schweigen kann also Begegnungen prägen, sie vertrauter und intensiver machen.« Mit den gesammelten Eindrücken möchte das Projektteam im nächsten Jahr weitere Formate mit mehr Perspektiven gestalten. Ein Fazit steht aber jetzt schon fest: Stille kann mehr als nur Pausen füllen – sie schafft Platz für echte Begegnung.
Bilder: © Cameo Kollektiv