27.10.2025 | Platz der Kulturen
Das Projekt »Platz der Kulturen« des Vereins Theater ImPuls e.V. förderte und gestaltete im Kölner Stadtteil Finkenberg Begegnungen im öffentlichen Raum mit kontinuierlichen Austausch- und vielseitigen kreativen Beteiligungsformaten – für und mit den dort lebenden Menschen. Projektleiter Uwe Fischer, Sozialarbeiter und Theaterpädagoge, sprach im Interview während der Praxisphase über Ziele, Herausforderungen und Erfolge der Projektarbeit.
Was macht den Stadtteil Finkenberg und den Begegnungsort »Platz der Kulturen« aus?
Uwe Fischer: Wir sind mit unserem Angebot sozusagen mitten im Herzen von Finkenberg aktiv. Finkenberg ist einer der kleinsten Stadtteile Kölns und ein Sozialraum mit besonderen Herausforderungen. Verglichen mit anderen Wohnvierteln sind einige Bevölkerungsgruppen in Finkenberg besonders stark vertreten: einkommensschwache Haushalte, kinderreiche Familien und Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund, viele Geflüchtete, aber auch viele Nichtwähler. Wir sind mit unserer Arbeit und unseren theaterpädagogischen Projekten schon seit mehr als zwanzig Jahren im Viertel aktiv, gehen in Schulen und Jugendzentren, engagieren uns in der Sozialraumkonferenz. Man kennt uns, wir sind hier heimisch geworden. Wir wollten aus Verbundenheit mit dem Stadtteil schon immer mal was am zentralen Platz der Kulturen machen. Direkt am Platz ist unser temporärer Projektraum, ein seit vielen Jahren leerstehender ehemaliger Supermarkt. Er befindet sich in einer Ladenzeile, die den Platz umschließt, und wir haben ihn von der Immobilienfirma, der die Hochhäuser und tatsächlich auch Teile des Platzes gehören, kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen.
Wer besucht und nutzt die Angebote?
Uwe Fischer: Wir machen zunächst Angebote für Kinder und Jugendliche, weil Kinder eine unserer Brücken zum Unsichtbaren Drittel sind. Zu uns kommen sehr viele Eltern – hauptsächlich Mütter – mit ihren Kindern. Die kommen ganz regelmäßig vorbei, weil sie am Platz wohnen. Es gibt türkeistämmige Mütter, die sich hier mit Frauen aus Kurdistan oder mit geflohenen Jesidinnen aus dem Irak austauschen. Die können alle gut miteinander, die Kinder sind teilweise in der gleichen Kita oder in der gleichen Schule, die haben sich hier kennengelernt, verabreden sich mittlerweile sogar hierher. Männer anzusprechen und für unsere Angebote zu gewinnen, ist dagegen nicht ganz so leicht – einfach auch, weil viele Frauen, die uns besuchen, froh sind, dass keine Männer da sind. Denn es gibt, das muss man sagen, ein Alkoholproblem hier auf dem Platz und es sind meistens Männer, die sich durch einen hohen Alkoholkonsum auszeichnen. Das mindert die Begegnungsbereitschaft von allen Beteiligten. Aber wir arbeiten daran, mehr Männer in das Projekt einzubeziehen. Wir sind mit ihnen in einem guten Kontakt, laden sie immer wieder ein, sprechen miteinander. Klar ist, dass die Männer eine andere Ansprache und andere Projektzeiten in der Woche brauchen.
Welche Angebote machen Sie der Nachbarschaft und den Menschen am Platz?
Uwe Fischer: Am Anfang haben wir sehr viele Bedarfsabfragen gemacht, ganz niedrigschwellig, mit Klebepunkten. Was sind die Interessen der Menschen, über was würden sie sich freuen? Wir haben eine »Wand der Demokratie« angelegt – so haben wir das ein bisschen überhöht genannt – auf der die Leute frei aufschreiben konnten, was für sie im Quartier wichtig ist. Wir haben Streetart-Aktionen durchgeführt, wir haben gemeinsam gekocht – und das waren ganz schöne Gemeinschaftsaktionen im Sinne von partizipativer Kulturarbeit. Wir achten zudem immer darauf, mit unseren Aktionen nicht in Konkurrenz zu bestehenden Angeboten in der Nachbarschaft zu treten. Und neben allen künstlerischen und kreativen Aktionen werden wir natürlich auch ganz klassisch als Beratungsort wahrgenommen, an den sich die Menschen im Quartier wenden, um mit uns auch ganz persönliche Probleme zu besprechen. Dann geht es zum Beispiel um Bürgergeld und Einbürgerungsfragen oder schlicht um Tipps für einen Schwimmkurs.
Das heißt, neben die Begegnungsarbeit tritt immer auch die Sozialarbeit. Oder gibt es einen anderen Begriff, der besser zu Ihrer Arbeit passt?
Uwe Fischer: Das ist eine gute Frage. Wir haben uns tatsächlich schon oft gefragt, wie sich die Arbeit nennt, die wir hier machen. Unser Begriff ist die Beziehungsarbeit, 90 Prozent unserer Arbeit ist Beziehungsarbeit. Wir machen Kurzzeitpädagogik, wir können mit Kindern und Jugendlichen umgehen. Wir machen aber auch Theaterpädagogik mit Erwachsenen. Bei alldem müssen wir in der Lage sein, relativ gut und relativ schnell einen Kontakt einzugehen mit Menschen, die wir erst mal nicht kennen, die uns fremd sind. Wir machen ein Angebot und versuchen, mit ihnen eine Beziehung aufzubauen. Und dieses Beziehungsangebot kann man auch mit Begegnungsangebot übersetzen. das ist auch genau das, was hier gesucht und aufgesucht wird. Wir müssen es im Alltag des Projekts immer wieder schaffen, mit den Menschen eine gute, solide, offene und vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Und wenn wir das können, dann können wir auch alle möglichen anderen Sachen machen. Die zuständige Bezirksbürgermeisterin sagt immer zu uns, wir würden ja eigentlich Seelsorge betreiben – und der örtliche Pfarrer sagt das übrigens auch (lacht).
Hat sich durch das Projekt und Ihre Arbeit die Atmosphäre am Platz geändert?
Uwe Fischer: Dazu kann ich ein Beispiel geben: Gewalt und Kriminalität spielen rund um den Platz durchaus eine Rolle. Wir haben einen ganz guten Kontakt zur Polizei vor Ort. Und weil das Sicherheitsgefühl der Menschen im Quartier eher schwach ausgeprägt ist – auch, weil die Polizei im Urteil mancher Anwohnerinnen und Anwohner zu selten Präsenz im Viertel zeigt – haben wir offene Polizei-Sprechstunden angeboten. Denn es gibt hier eine sehr coole »Dorfpolizistin«, der das Viertel am Herzen liegt und die im Viertel anerkannt ist. Die Anwohnerinnen und Anwohner konnten Fragen stellen und die Polizistin musste sich auch viel Kritik anhören. Das Erfolgserlebnis ist, dass die Menschen am Platz sagen: seit ihr die Polizistin eingeladen habt, kommt die Polizei viel öfter vorbei und schaut, ob alles ok ist. Und das finden die Leute richtig gut.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Gelingensbedingungen für Begegnung, Austausch und Dialog – und woran kann sowas scheitern?
Uwe Fischer: Es braucht unseres Erachtens viel persönlichen Einsatz, es braucht Regelmäßigkeit, Präsenz und Flexibilität, es braucht Offenheit und Neutralität, es braucht gegenseitiges Vertrauen und eine Ansprache, die den Menschen gerecht wird. Und es braucht Hausregeln, denn bei aller Offenheit und Flexibilität müssen wir auch klar sagen, was nicht geht: keine Zigaretten zum Beispiel und – ganz wichtig – kein Alkohol. Und in unserem Fall ist auch die seit einiger Zeit wachsende Unterstützung durch den Ortebetreiber, also die Immobilienfirma, ganz wichtig und ein nicht zu unterschätzender Gelingensfaktor für den Zusammenhalt im Quartier. Die Menschen brauchen nicht nur Orte, sondern auch feste Ansprechpartner im Quartier, nun eben auch vonseiten der Immobilienfirma.
Wenn wir in fünf Jahren auf Finkenberg und auf den Platz der Kulturen schauen, was sehen wir dann?
Uwe Fischer: Darüber machen wir uns viele Gedanken. Selbstverständlich wollen wir nachhaltig sein. Wir haben die Idee, dass sich ein selbstorganisierter Platzbeirat gründet, der sich aus Menschen aus dem Platzumfeld und Akteuren aus dem Sozialraum zusammensetzen soll. Dazu führen wir erste Gespräche. Und es soll noch ein Film entstehen, um den Menschen rund um den Platz ein Gesicht zu geben. Wir wollen nach dem Ende des Projekts Beziehungen übergeben können. Das ist unser Plan.