10.10.2025 | Kontakt Booster
Wie funktioniert gesellschaftlicher Zusammenhalt auf der Mikroebene? Und wie verlässt man seine Komfortzone zugunsten eines neuen Miteinanders? Die Kulturagent*innen Hamburg gehen diesen Fragen mit der Entwicklung einer Toolbox für freundliche Intervention in Alltagssituationen nach. Im praktischen Teil eines eigens gestalteten Symposiums erprobte das »Kontaktbooster«-Projektteam gemeinsam mit vielen interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern künstlerische Interventionen an sieben Settings im Stadtraum.
Im ersten Teil des Symposiums wurden die rund 130 Teilnehmenden, darunter Lehrer/innen und Schüler/innen, an verschiedenen Stationen in die Kunst der Kontaktaufnahme und der zufälligen Kooperation eingeführt. Methodisch wurden Gemeinsamkeitsaktionen durchgespielt, die zu freundlicher Provokation und einem zufälligen aber verbindlichen Miteinander – einer Form temporärer Komplizenschaft – führen: Komplimente, Spiele, Schweigen, Action, Geheimnisvolles, Bewerten, Essen. Im zweiten Teil der Veranstaltung entwickelten die eingeladenen Künstler/innen in sieben Workshops mit jeweils 20 Gästen konkrete Pop-up-Interventionsszenarien für die Kontaktaufnahme im öffentlichen Raum – und probierten diese gemeinsam aus.
Ein Gruppe bespielte die Straßen eines Wohnviertels mit FlashMob und Community Dance. Die Teilnehmenden wurden in einem kurzen Tanz- und Bewegungsworkshop vorbereitet: wie bewege ich mich in der Gruppe, wie löse ich mich aus der Gruppe, wie nähere ich mich Passanten, wie involviere ich sie? Das ungewöhnliche Auftreten einer tanzenden Gruppe in der Öffentlichkeit erregte positive Aufmerksamkeit. Die Musik ermöglichte den Passanten unkomplizierte Interaktion. Die Praxis zeigte: Die positive Ausstrahlung der Gruppe überträgt sich, ohne dass es aktive Ansprache braucht.
Andernorts erprobten Teilnehmer/innen einen Performativen Walk in Blow Up-Kostümen. Eine Gruppe von Dinosauriern, Axoloteln, Haien und Fröschen geht shoppen – und tut dabei ganz Alltägliches: die auffälligen Gestalten fahren Fahrstuhl, ziehen ein Parkticket, kaufen eine Cola am Getränkeautomaten. Die schwer einzuordnende Intervention ließ die Passanten innehalten und beobachten und schuf Gesprächsanlässe. Dadurch öffnete sich ein Raum zum Beobachten und Spekulieren.
Ein anderes Setting, das auf Rolltreppen und in Fahrstühlen eines Einkaufszentrums einem Praxistest unterzogen wurde, wies dagegen Nachbesserungsbedarf auf. Die Aktionen setzten ein gewisses Maß an wahrgenommener Zufälligkeit in den Augen der Umstehenden voraus. Letztendlich waren die performten Choreografien jedoch als geprobt erkenntlich und verfehlten so ihren Zweck, auf subtile Weise Austausch zu provozieren.
Die Kontaktbooster-Methoden wurden im Nachgang erneut bewertet, konkretisiert und geclustert, z.B. in den Kategorien »Komplimente als Schlüssel zum Gespräch«, »Erweiterung der Realität durch unwahrscheinliche Interventionen« oder »Das gemeinsame Dritte als Gesprächsanlass«. Daraus ergab sich ein umfassendes Bild funktionierender Interventionen, die kontextunabhängig und in Eigenregie in unterschiedlichen schulischen und nichtschulischen Kontexten anwendbar sind.
Diese Methodensammlung ist mittlerweile Teil einer Toolbox, die – aufgemacht als Spiel – im September 2025 vom Projektteam präsentiert wurde und zu einer nachhaltigen Verbreitung von freundlicher Intervention für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Hamburg und darüber hinaus beitragen soll.