06.09.2024 | Gamechanger
Ob Mau-Mau, Rommé oder Mensch ärgere dich nicht: In Brandenburg an der Havel werden einmal in der Woche die Karten und Würfel neu gemischt. Und zwar immer dann, wenn sich die Nachbarinnen und Nachbarn im Wohnquartier Hohenstücken unter freiem Himmel zum gemeinsamen Spielen verabreden. Für eine bunte Vielfalt an Brett-, Gesellschafts- und Outdoorspielen sowie einen großen Schwung guter Laune ist dabei stets gesorgt.
Ob der berühmte Dichter Friedrich Schiller jemals in Brandenburg an der Havel war, weiß Annett Ochla leider nicht. Über die Bedeutung des Spielens für Mensch und Gesellschaft weiß sie aber ebenso Bescheid, wie der Klassiker aus Weimar. Die Gründerin des jungen Vereins »BÄR meets ADLER« ist wie Schiller davon überzeugt, dass der Mensch nur da ganz Mensch ist, wo er spielt. Denn dem Spielen kommt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung und Formung von Kulturen und Gesellschaften zu: »Spielen ist eine Form der Kommunikation, die Menschen verschiedener Altersgruppen und sozialer Hintergründe zusammenbringt, das Gemeinschaftsgefühl stärkt und die sozialen Bindungen«, sagt Annett Ochla. Von daher gehöre das Spielen weltweit seit je her zum Alltag der Menschen.
Und wie sich die positive Wirkung des Spielens zur Förderung eines offenen und toleranten Miteinanders sowie zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und des sozialen Zusammenhalts im Wohnquartier Hohenstücken nutzen lässt, zeigen Annett Ochla und ihre Mitstreiterinnen immer mittwochs von 16 bis 18 Uhr, wenn sich die Nachbarschaft auf der grünen Freifläche an der Friedrich-Grasow-Straße Nr. 19 versammelt. Dann gibt es in lockerem Rahmen spannende Duelle am Kartentisch oder an der Tischtennis-Platte.
Das Wohnquartier Hohenstücken ist ein diverser Ort, in dem knapp 8.000 Menschen leben. Zum Jahresende 2022 hatten 22,3 % von ihnen eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit, der Anteil ist fast dreimal so hoch wie der Durchschnittswert der Stadt (8,4 %). Zudem konzentrieren sich hier viele in schwieriger sozialer Situation lebende Haushalte. Das Bevölkerungsbild im Stadtteil ist daher geprägt von Menschen aus verschiedenen Kulturen, Religionskreisen und Milieus, die in einem überwiegend aus großen Platten- und Neubauten bestehendem Wohngebiet zusammenleben. Hier treffen jeden Tag viele Menschen aufeinander, die beispielsweise aufgrund von Sprachbarrieren und/oder begrenzter finanzieller Ressourcen einen erschwerten Zugang zu Angeboten der Gemeinschaft oder der Kultur und Bildung haben. Diese Gegebenheiten und auch Ungleichheiten begünstigen Spannungen und Konflikte innerhalb des Quartiers.
An dieser Stelle setzt das in Kooperation mit der Wohnungsbaugenossenschaft Brandenburg eG umgesetzte Projekt an. »Starke Gemeinschaften sind von entscheidender Bedeutung für das Wohlergehen einer Gesellschaft. Sie gründen auf gegenseitigem Respekt, Empathie, Solidarität und Zusammenhalt. Sie bilden die Grundlage für die Förderung des Gemeinwohls und sind der Schlüssel für eine gerechtere und friedliche Zukunft«, sagt Annett Ochla. Vor diesem Hintergrund soll das Projekt ein »Gamechanger« sein, welches die Atmosphäre vor Ort verändert und den sozialen Zusammenhalt der Menschen verbessert.
Die Resonanz auf das im Mai gestartete Projekt war von Anfang an sehr positiv, wie Annett Ochla berichtet. Die ersten Treffen waren so gut besucht, dass zusätzliche Sitzmöglichkeiten und Tische angeschafft werden mussten, aus den entstandenen Spielegruppen und Begegnungen hätten sich auch bereits erste unerwartete Freundschaften entwickelt. Falls also Friedrich Schiller heutzutage auf den Gedanken käme, vor Ort eine Runde Mau-Mau spielen zu wollen, wäre er in bester Gesellschaft.
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Bilder: © Annett Ochla