Das war vielleicht eine Aufregung, sagt Kristina Krömer. Es ist Ende Februar und eben war Bundeskanzler Olaf Scholz als Fahrgast in der Straßenbahn, die Kristina Krömer und ihr Team zu einem rollenden Begegnungsort umgewandelt haben. 45 Minuten Fahrt, Zeit genug für ein Gespräch über den Zustand der Demokratie in Deutschland und wie sie sich verbessern ließe.
Doch nicht nur der Bundeskanzler fährt in Dresden Straßenbahn; der Alltagsort wird jeden Tag von ganz unterschiedlichen Menschen ganz selbstverständlich genutzt. Doch nur die wenigsten kommen während der Fahrt miteinander ins Gespräch. Das will Kristina Krömer ändern.
»metro_polis« ist ein Projekt des gleichnamigen Vereins, das in Dresden und Leipzig dort stattfindet, wo Menschen jeden Tag versammelt sind: in den Straßenbahnen der Stadt. Der Name verbindet die zwei wesentlichen Elemente des Projekts miteinander: métro (frz. für Straßenbahn) und pólis (griech. für Stadtgesellschaft). Ziel ist es, Menschen zu den Themen in Austausch zu bringen, die sie bewegen und dabei Antworten auf folgende Fragen zu finden: Wie kann gesellschaftlicher Diskurs konstruktiv in einer Zeit der zunehmenden Verständigungslosigkeit gestaltet werden? Wie können möglichst viele Menschen daran teilnehmen? Und wie können wir aus der Vielfalt an Erfahrungen, die die Menschen in sich tragen, einen kollektiven Wissens- und Ideenschatz generieren, der durch Kooperation anstatt durch Kampf entsteht?
Hinter dem Projekt stehen Menschen aus Dresden und Leipzig, die an den Lebensgeschichten anderer Menschen interessiert sind. Die gerne verstehen wollen, was andere Menschen in ihrer Stadt umtreibt und bewegt. Und die wissen wollen, wie es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland bestellt ist in einer Zeit, die vermeintlich von Polarisierung, Konfrontation und Dissens geprägt ist.
Der Austausch findet an mehreren vom Projektteam moderierten Vierer-Sitzplatzgruppen statt, weitere Teammitglieder bewegen sich flexibel durch die Bahn, informieren neu hinzusteigende Fahrgäste über das Angebot und laden zur Teilnahme ein. Die Themen der Gespräche variieren, es kann um soziale Gerechtigkeit gehen oder um Kunst, um Asyl und Flucht oder ganz profan um die Frage, wie die Dresdener Stadtverwaltung mit Zigarettenkippen umgehen soll, die achtlos weggeworfen die Umwelt verschmutzen. Im Mittelpunkt der spontanen Begegnungen stünde stets der Perspektivwechsel und das Interesse an anderen Meinungen und Ansichten, sagt Kristina Krömer. Es sei zudem wichtig, »hitzige Diskussionen über gesellschaftspolitische Themen so zu führen oder zu begleiten, dass sie für alle Beteiligten konstruktiv sind anstatt mühsam und frustrierend«, ist Kristina Krömer überzeugt. Auch wenn die Begegnungen in der Straßenbahn eher flüchtig und die Gespräche eher kurz seien, persönliche Begegnung ermögliche einen Austausch, aus dem gegenseitiges Verständnis erwachsen könne – eine wichtige Ressource für eine Gesellschaft, die so vielfältig, aber auch so individualisiert ist wie nie zuvor.